Background-Prüfungen wurden lange Zeit seitens der Personalverantwortlichen nicht für nötig erachtet. Grundsätzlich geht man davon aus, dass der Bewerber im Lebenslauf wahrheitsgemäße Angaben zu seinem beruflichen Werdegang und den erworbenen Qualifikationen macht. Doch im Vergleich mit Deutschland und Österreich stellt die Schweiz einen Spitzenplatz dar, wenn es darum geht, wie ehrlich Bewerber und ihre Lebensläufe sind. Als möglicher Grund wird das duale Ausbildungssystem in der Schweiz genannt. Doch ist wirklich die geringere Anzahl an Erstausbildungen auf Hochschulniveau die Ursache für die Vielzahl gefälschter Lebensläufe in der Schweiz?
Wie wird im Lebenslauf gelogen?
Dank ChatGPT und anderen intelligenten Tools wird das Erstellen von Bewerbungsunterlagen zum Kinderspiel. Schnell sind falsche Angaben zu persönlichen Qualifikationen oder spezifischem Fachwissen eingefügt, denn die Lebensläufe der KI-Bewerbertools generieren einwandfreie Bewerbungsunterlagen auf hohem Niveau. Die Prüfung, ob die angeforderten Inhalte auch tatsächlich der Realität entsprechen, fällt unter die Aufgaben der jeweiligen Bewerber und sie lügen offenbar weitaus häufiger im Lebenslauf als in der Vergangenheit.
Vor allem in Krisenzeiten werden aber mehr Background Checks von potenziell neuen Mitarbeitern durchgeführt. Falschangaben im CV kommen in kritischen wirtschaftlichen oder politischen Phasen öfter vor als in Zeiten von Hochkonjunktur. Da viele Menschen Angst haben, ihre Anstellung zu verlieren und sich um eine neue Beschäftigung bemühen wollen, rechnen Personalverantwortliche mit einer steigenden Zahl gefälschter Lebensläufe.
Das Lügen in den Bewerbungsunterlagen wird vor allem für die Angaben zur Berufserfahrung, den Fachkenntnissen und den erlangten Qualifikationen über Aus- und Weiterbildungen angewendet. Tricksereien im CV sind auch durch technologische Fortschritte, das sind neben Künstlicher Intelligenz vor allem die angebotenen Tools und Apps, die in den Stores verfügbar sind, um den Lebenslauf aufzupeppen.
Die Digitalisierung und die damit einhergehende Entpersonalisierung machen das Lügen allgemein einfacher, davon wissen auch verschiedene HR-Experten zu berichten. Prüfungen der gewünschten Kriterien werden in weiten Kreisen gar nicht oder nur stichprobenartig in den Unternehmen durchgeführt oder gefordert. Da liegt es auf der Hand, dass eine grössere Anzahl von Bewerbern Qualifikationen und Berufserfahrungen erfindet, um in die nächste Runde der Kandidaten und am Ende vielleicht sogar zum neuen Traumjob zu gelangen.
Warum wird in Lebensläufen gelogen?
Bewerber wissen heutzutage um ihre Sonderstellung und kennen ihren Marktwert sehr genau. Dennoch wird in Lebensläufen bei einigen Punkten besonders häufig gelogen. Ziel der bewussten Unwahrheiten ist aber immer die Einstellung im gewünschten Unternehmen und / oder auf der gewünschten Stelle besetzt zu werden. Das Aufpolieren von Lebensläufen erfolgt vor allem bei den wesentlichen Kriterien Gehalt, Kompetenzen und Berufserfahrung. Die nachfolgende Grafik zeigt das Ergebnis einer Umfrage unter deutschen Bewerbern.
In der Schweiz, so das Studentenportal Semestra.ch, welches auf die Jobsuche spezialisiert ist, kommen die Lügen vorrangig bei den Sprachkenntnissen und dem früheren Gehalt vor. Mehr als ein Drittel der Bewerber nimmt es laut der internationalen Umfrage des Personaldienstleisters Robert Half unter 1.210 Personalmanagern mit der Wahrheit nicht so genau.
Und immerhin 18 Prozent beschönigen ihre Managementfähigkeiten. Weit weniger mutig sind die Schweizer hingegen, wenn es um das Erfinden von Softwarekenntnissen (2 Prozent) oder Bildungsabschlüssen geht (4 Prozent).
Auch bei früheren Aufgabengebieten wurde häufig gelogen, so das Ergebnis der Umfrage. Die Autoren weisen in ihrer Veröffentlichung jedoch auch auf die möglichen Risiken und Konsequenzen hin, die auf Bewerber und Mitarbeiter zukommen könnten.
Was droht, wenn man mit dem gefälschten Lebenslauf auffliegt?
Es gibt Bereiche, in denen die Lüge im gefälschten Lebenslauf ernste Folgen hat, und zwar nicht nur für den Verfasser selbst. Bei Universitäts- oder Schulzeugnissen sowie dem Nachweis über Ausbildungen und Qualifikationen sollte nicht gelogen werden. Hier gibt es ein extrem hohes Risiko, durch falsche Angaben in die Haftung genommen zu werden, wenn es zu Fehlentscheidungen oder falschen Reaktionen kommt. Patienten vertrauen unter anderem blind darauf, dass ihr Arzt auch über die notwendigen Fähigkeiten und Ausbildungen verfügt, wenn sie ihr Leben in seine Hände geben.
Der Fahrlehrer muss spezifische Kenntnisse und Ausbildungen nachweisen, um Fahranfänger sicher durch den Verkehr zu begleiten. Bei der Polizei verlassen sich nicht nur Kollegen darauf, dass in speziellen Situationen das erlernte Fachwissen abgerufen wird. Kommt während der Probezeit die Wahrheit ans Licht, ist dies ein Kündigungsgrund. Ein falscher Lebenslauf kann aber auch schnell strafbar sein. Neben der fristlosen Kündigung können rechtliche Folgen auf den Betroffenen zukommen, etwa wenn Menschen durch seine Fehlentscheidungen zu Schaden kommen.
Ausserdem steht eine Rufschädigung des Arbeitgebers im Raum, denn es geht um eine arglistige Täuschung, die im schlimmsten Fall mit einer Anzeige wegen Betrugs geahndet wird und auch den Arbeitgeber in die mediale Aufmerksamkeit rückt. Sind die Folgen besonders schlimm, etwa, weil ein „falscher“ Arzt Patienten behandelt und es zu Fehlern kommt, können Schadensersatz und Schmerzensgeldzahlungen drohen. Für zukünftige Bewerbungen ist die Reputation des Bewerbers nach einem solchen Vorfall meist nachhaltig geschädigt und sein beruflicher Werdegang dadurch dauerhaft beeinträchtigt.
Mehr gefälschte Lebensläufe durch KI – Was können Unternehmen tun?
Die meisten Unternehmen in der Schweiz gehören dem Mittelstand an. Mit nicht mehr als 10 Personen sind die Ressourcen zur Überprüfung von Lebensläufen begrenzt. Externe Personalagenturen können unterstützen und frühzeitig vermeintlich aufgewertete Lebensläufe und falsche Angaben aufspüren. Eine KI-basierte Software kann ebenfalls zur Aufdeckung von Falschangaben eingesetzt werden. Damit würde Künstliche Intelligenz, die vorher unter Umständen bei der Erstellung von Lebensläufen zum Einsatz kam, jetzt dabei helfen, die Lügen aufzudecken. KI bekämpft also KI.
Das Thema von fälschungssicheren Lebensläufen ist komplex, rückt aber beispielsweise durch die Blockchain-Technologie in das Zentrum der Aufmerksamkeit im Personalsektor. Um Lebensläufe auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, gibt es aber derzeit wohl kein besseres Verfahren, als die manuelle Prüfung der angegebenen Fakten, entweder intern oder extern, aller infrage kommenden Bewerber.
Derzeit muss aber auch realistisch bewertet werden, dass kleine Schönigungen im Lebenslauf nicht immer aufzudecken sind. Geschönte Kompetenzen lassen sich meist erst im realen Arbeitsalltag erkennen. Dann muss auf die Kündigung zurückgegriffen werden, wenn die fehlenden Kompetenzen eine Weiterbeschäftigung unmöglich machen.