Politiker fordern mehr Einsatz von Beschäftigten – Aber 4-Tage-Woche könnte dennoch kommen

„Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten“, so der amtierende Bundeskanzler unseres Nachbarlandes beim CDU-Wirtschaftstag. Gleichzeitig soll die 4-Tage-Woche den Wandel in der modernen Arbeitswelt voranbringen. Die Gegensätze könnten nicht grösser sein. Während sich die Mehrheit der Schweizer Belegschaft eine kürzere Arbeitswoche bei vollem Arbeitslohn wünscht, sollen sie nach dem Willen von Politikern mehr leisten und die Effizienz im Lande steigern.

Überraschenderweise kam schon 1998 in einem Positionspapier der Wunsch nach einer 4-Tage-Woche auf:

Zahlreiche Wirtschaftswissenschaftler räumen heute ein, dass die Verkürzung der Arbeitszeit neben anderen Massnahmen ein geeignetes Mittel ist, um Arbeitsplätze zu erhalten und auch eine gewisse Zahl neuer Arbeitsplätze zu schaffen.

Einige unter ihnen, vor allem Pierre Larrouturou aus Frankreich, sind indessen der Ansicht, dass noch viel mehr Arbeitsplätze erhalten und auch geschaffen werden können, wenn man die Woche auf vier Arbeitstage beschränkt und diese Massnahme vielleicht noch mit der Jahresarbeitszeit kombiniert. Ausserdem hätten die Beschäftigten mehr effektive Freizeit als bei einer Fünftagewoche.

Die damalige parlamentarische Initiative wurde von Jean-Claude Rennwald, frühes Mitglied der sozialdemokratischen Partei der Schweiz, eingereicht. Im Jahr vor der Initiative brachte eine Umfrage des IHA hervor, dass sich die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer, die eine Arbeitszeitverkürzung befürwortet, die wöchentlichen Arbeitsstunden auf vier Tage verteilt wünscht.

Geblieben ist von dieser und vieler weiterer Initiativen und Vorstösse jedoch nicht viel, schliesslich ist die 4-Tage-Woche noch immer ein Wunschmodell.

4-Tage-Woche

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Wege aus der Wirtschaftskrise – Mehrarbeit oder 4-Tage-Woche?

Die zukünftigen und jungen Fachkräfte von heute wollen ihre persönliche Entwicklung in der Arbeitswelt von morgen selbst gestalten. Seit Ende 2024 läuft der landesweit erste wissenschaftlich begleitete Pilotversuch. Die Berner Fachhochschule hat den Pilotversuch in Kooperation mit der NGO «4 Day Week Global» und dem Zürcher Beratungsunternehmen Hailperin initiiert. Es gilt herauszufinden, ob sich die Mitarbeiterzufriedenheit und die Effizienz mit der kurzen Arbeitswoche steigern lassen, oder ob diese Aspekte vielleicht stagnieren oder sich gar verschlechtern.

Erste Ansätze gibt es in anderen Ländern, beispielsweise auf Island und in Grossbritannien. Auch in Deutschland gab es erste Tests, wie den Modellversuch der Universität Münster mit 45 Unternehmen. Erste Zahlen zeigen hier eine stabile bis gesteigerte Produktivität an. Die Mitarbeitermotivation hat sich in den teilnehmenden Betrieben offensichtlich stark verbessert. Dieselben Ergebnisse zeigten sich auch auf Island, wo sich die Gesundheit der Beschäftigten verbesserte. In Grossbritannien sank die Zahl der Krankentage um zwei Drittel, aber auch hier blieb die Produktivität entweder stabil oder verbesserte sich.

Da die Zahlen keine eindeutige Sprache hinsichtlich der Produktivität sprechen, scheint sich das Gefühl einer ausgewogeneren Work-Life-Balance deutlich positiv auszuwirken. Aber kann eine Wirtschaft nur allein darauf bauen? Braucht es nicht auch Mitarbeiter, die in stressigen Zeiten die Dinge regeln und mit Überstunden Beschäftigte wertschöpfende Arbeit leisten?

Schweizer KMU offen gegenüber der kurzen Arbeitswoche

2024 führte die Axa eine Umfrage unter Schweizer KMU durch. 38 Prozent stehen dem Modell einer 4-Tage-Woche offen gegenüber. Allerdings zeigt die Studie auch:

Die Einführung einer gesetzlichen Vier-Tage-Woche ist bei den KMU allerdings weiterhin nicht mehrheitsfähig. Quelle: Axa Schweiz

Ausserdem, so das Ergebnis, steht die Mehrheit der befragten KMU der 4-Tage-Woche skeptisch gegenüber. Dennoch hat die Zustimmung zum kurzen Arbeitszeitmodell im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Es ist also kein klarer Trend erkennbar. Zudem, so die Autoren der Studie, ist das Verständnis einer 4-Tage-Woche unterschiedlich. Manches Unternehmen denkt dabei an weniger Lohn für weniger Arbeit. Gemeinhin gefordert wird aber weniger Arbeit bei gleichem Lohn.

4-Tage-Woche

Kritisch sehen viele Politiker, darunter der Deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz, die Vereinbarung beider Lösungsansätze. Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können, so wird Friedrich Merz beim CDU-Wirtschaftstag zitiert. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft zeigt in einer Studie sogar, dass die Deutschen im Schnitt weniger Stunden arbeiten als ihre Kollegen in anderen Wirtschaftsnationen.

Aber die Zahlen zeigen auch hierzulande, dass die Schweizer mehr Wert auf Freizeit und Ferien legen und dafür weniger Zeit in ihren Job investieren. 8,117 Milliarden Stunden haben die Schweizer im Jahr 2024 gearbeitet, so die Arbeitsvolumenstatistik des Bundes. Demnach ist die wöchentliche Arbeitszeit der Vollzeitarbeitnehmenden durchschnittlich um 50 Minuten auf 40 Stunden und 4 Minuten zurückgegangen. Im Primärsektor liegt die Zahl bei 44 Stunden pro Woche und gesundheitsbedingte Absenzen durch Krankheit oder Unfall machen es den Arbeitgebern schwer, kurze Arbeitszeitmodelle anzubieten. Bereinigt man die Zahlen der Statistik für den nationalen und internationalen Vergleich, dann gehört die Schweiz zu den Ländern mit den längsten tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeiten.

Setzt man das Gesamtvolumen der geleisteten Wochenarbeitsstunden ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung (15 Jahre und älter), gehört die Schweiz mit 22 Stunden und 47 Minuten wiederum zu den Ländern mit der längsten tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit. Dies lässt sich durch die hohe Arbeitsmarktbeteiligung der Bevölkerung erklären. Die längste Arbeitszeit wurde in Island verzeichnet (25 Stunden und 55 Minuten), die kürzeste in Italien (16 Stunden und 46 Minuten). In der EU belief sich der Durchschnitt auf 19 Stunden und 25 Minuten.

Perfekte Mischung aus Arbeit, Familie und Freizeit

Nicht nur in der Schweiz wünschen sich Arbeitnehmer die perfekte Vereinbarkeit von Arbeit und Familie sowie Freizeit. Seit den 1950er Jahren sinkt die Arbeitszeit kontinuierlich und es gelingt den Beschäftigten immer besser, ihre Forderungen durchzusetzen. Der Arbeitskräftemangel gibt ihnen mehr Verhandlungsmacht. Dennoch sei eine Viertagewoche, wie viele Gewerkschaften sie fordern, nicht nötig, sagt Patrick Chuard-Keller, Chefökonom beim Schweizerischen Arbeitgeberverband.

4-Tage-Woche

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Fazit über die neue Arbeitswelt

Die UBS-Ökonomen rechnen nur noch mit einem realen BIP-Wachstum von 1 Prozent, was strukturell begründet sein soll. Es gibt immer ältere Menschen und die arbeitende Bevölkerung nimmt gleichzeitig ab.

Dazu kommen immer höhere Forderungen von Beschäftigten: noch bessere Bezahlung und flexiblere Arbeitsbedingungen. Die Zuwanderung und die Erhöhung der Erwerbstätigkeit sind zwei Kriterien, die dazu beitragen, die heimische Wirtschaft anzukurbeln.

Eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich scheint unrealistisch angesichts dieser Fakten. Es bleibt abzuwarten, wie stark sich Beschäftigte mit ihren Forderungen positionieren und durchsetzen können und inwieweit das Ergebnis alle zufriedenstellen wird.