Das Schlagwort einer positiven Unternehmenskultur hat unter dem aktuellen Fachkräftemangel neuen Schwung bekommen. Wer sich mit seiner täglichen Arbeit nicht mehr so identifiziert wie unsere Eltern und Grosseltern, setzt gänzlich andere Schwerpunkte, und die wirken sich auch auf die Suche nach neuen Stellen und die Wahl der zukünftigen Arbeitgeber aus.
Als Schlüssel zum Erfolg werten zahlreiche HR-Experten die Veränderung von Organisationen hin zu Unternehmen mit positiver Gehaltskultur, denn noch immer ist trotz aller Neuerungen der jungen Generationen das Gehalt für viele Wechselwillige der Auslöser.
Rund die Hälfte der Beschäftigten fragt aktiv nach mehr Geld
Das HR-Magazin HR web hat bei Personalabteilungen gefragt, wie aktiv Mitarbeiter nach mehr Gehalt fragen. Nur rund die Hälfte der Beschäftigten geht aktiv auf ihren Vorgesetzten zu und verhandelt ihr Gehalt. Das bedeutet aber auch, die andere Hälfte tut dies nicht, und genau hier sitzen wahrscheinlich unbemerkt viele Wechselwillige. Es gibt verschiedene Gründe, warum dieser Personenkreis nicht aktiv wird.
- Es könnte sein, dass die Persönlichkeit des Einzelnen nicht in der Lage ist, aktiv auf einen Vorgesetzten zuzugehen, um dort über Geld zu verhandeln.
- Andere scheuen die direkte Kommunikation und sehen sich selbst nicht als so wertvoll an. Sie nehmen häufig das Angebot des Arbeitgebers kommentarlos an und geben sich mit der Situation zufrieden.
- Manche Beschäftigte scheuen das Verhandlungsgespräch auch aus Angst vor negativen Konsequenzen. Wie reagieren der Vorgesetzte, die Kollegen und man selbst, wenn das Gespräch nicht wie erwartet verläuft?
- Fehlende Marktkenntnisse sind ebenfalls häufig ein Grund dafür, dass Beschäftigte im Unternehmen nicht um mehr Geld bitten. Wer sich nicht auskennt und sein Gehalt vergleichen kann, ist häufig von Selbstzweifeln gekennzeichnet. Dieser Aspekt kommt häufig mit anderen, bereits oben genannten, zusammen.
Die Zeitung für kommunale Wirtschaft, ZfK, berichtete im vergangenen Jahr über die Gründe von wechselwilligen Beschäftigten. Bei der Befragung gaben 37 % an, grundsätzlich einem Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber offen gegenüberzustehen. Die Umfrage zeigte deutlich, dass das Gehalt als Faktor auf Platz 1 steht, und zwar mit 73 Prozent. Erst danach folgten ein attraktiver Standort (65 %), eine flexible Arbeitszeiteinteilung (64 %) und ein gutes Führungsverhalten (62 %).
In Deutschland haben rund vier von zehn Befragten das Gefühl, dass ihre Arbeitsleistung nicht ausreichend bezahlt wird: 43 Prozent der Befragten empfinden ihr aktuelles Gehalt als zu niedrig. Quelle: ZfK
McKinsey & Company veröffentlichte bereits im Jahr 2022 Zahlen, nach denen jeder Jobwechsel im Schnitt rund 30 % mehr Gehalt bringt. In der Studie des McKinsey Global Institute mit dem Titel „Human capital at work: The value of experience“ hatten die Autoren verschiedene Karriereverläufe auf Grundlage von vier Millionen vollständigen Berufsprofilen ausgewertet.
Die grössten Gehaltssprünge von 30 bis 46 %, sogar in nächst höhere Gehaltsklassen, machten demnach die Berufstätigen, die den Job öfter – in Deutschland im Durchschnitt fünfmal – gewechselt haben. Quelle: McKinsey
Wenn in Organisationen keine positive Gehaltskultur zu finden ist, fehlt es häufig auch in anderen relevanten Bereichen, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Der Wechsel von Fach- und Führungskräften ist unbedingt zu verhindern, denn mit jedem Beschäftigten, der seinen Job wechselt, geht in der Regel auch wertvolles Know-how verloren. Gehen mehrere Beschäftigte, stärkt das nicht nur möglicherweise den Wettbewerb, sondern demotiviert bestehende Teammitglieder zusätzlich.
Der Wechsel von Fach- und Führungskräften droht häufig aus dem Hinterhalt, also vollkommen unerwartet, wenn nicht proaktiv mit ihnen über ihre finanzielle Zufriedenheit gesprochen wird. Ein Wechsel bringt, wie McKinsey feststellte, häufig eine deutliche Verbesserung beim Gehalt.
Das spricht sich schnell herum, was weitere Wechselwilligkeit in Teams nach sich ziehen könnte. Auch Bewertungen in Arbeitgeber- und Karriereportalen sollten nicht vergessen werden, denn oftmals hat die Zufriedenheit mit der eigenen Bezahlung eine separate Rubrik.
Bei Kununu.com, dem führenden Bewertungsportal für Arbeitgeber und Chefs, findet sich auch ein aktueller Bericht über Fairness in Unternehmen. Hier geht es zwar auch um die Lücke bei den ungleichen Zahlungen der Geschlechter, den Gender Pay Gap, aber auch dieses Thema gehört zu einer positiven Gehaltskultur.
Im Jahr 2024 lag der unbereinigte Gender Pay Gap in Deutschland gemäss kununu Gehaltscheck bei 15 Prozent. Frauen verdienen demnach im Durchschnitt 15 Prozent (2023: 17 Prozent) weniger als ihre männlichen Kollegen.
Gelungene Personalarbeit bedeutet auch eine positive Gehaltskultur
Auch das Statistische Bundesamt weist in einer Pressemitteilung vom 13. Februar 2025 einen Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen aus. Der lag 2024 bei über 4,10 € pro Stunde (brutto). Allerdings stieg der Bruttomonatsverdienst bei Frauen zuletzt stärker an als bei den Männern. HR-Abteilungen müssen dafür sorgen, dass Gehälter transparent, wettbewerbsfähig und leistungsorientiert sind.
Die Zufriedenheit der Beschäftigten mit ihrer Vergütung gilt als wesentlicher Faktor für die Motivation und dient in direkter Weise der Wertschöpfung des Unternehmens. Aber es gibt noch weitere Vorteile einer solchen Strategie, wie die bessere Planung von Einstellungsbudgets und das langfristige Halten von Talenten in Organisationen.
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten der Einführung von positiven Gehaltssystemen, darunter die Festlegung von sogenannten Gehaltsbändern. Dabei handelt es sich um einen Fixwert, entstanden aus Marktwert und internem Wert. Stellen mit ähnlichen Anforderungen können dann anhand von festgelegten Kriterien wie Qualifikationen, Erfahrung oder Entscheidungskompetenz in Gruppen gebündelt werden.
Marktdaten geben angemessene Mindest- und Höchstgehälter vor, um das individuelle Gehaltsspektrum zu definieren. Wichtig ist dabei aber, dass die Angaben transparent dargestellt sind, sodass jeder Beschäftigte auf sie zugreifen kann. Anders als bei klassischen Gehaltstabellen können die Gehaltsbänder viel mehr Flexibilität bieten. Sie leisten einen wertvollen Beitrag zur angestrebten Transparenz, ohne dabei die einzelnen Gehälter offenlegen zu müssen.
Mit der eingeführten Lohngleichheit entstehen wertvolle Synergien, denn die Motivation steigt unter transparenten Systemen in der Regel deutlich an. Klare Karrierewege und Anreize für die berufliche Weiterbildung ergänzen solche Bestrebungen von Unternehmen, ihre Mitarbeiter fair und transparent zu bezahlen und sie so langfristig zu behalten.