Ist Robot Recruiting die Lösung aller Recruiting Probleme?

In der aktuellen Lage sieht es nicht danach aus, dass sich das Problem leergefegter Arbeitsmärkte in absehbarer Zeit positiv verändern wird. Der Kampf um die Talente, auch als “War of Talents“ bezeichnet, sucht händeringend noch Möglichkeiten, die verbliebenen Fach- und Führungskräfte für sich zu gewinnen. Unterstützung erhalten Unternehmen dabei immer häufiger von intelligenten Systemen und KI-Technologie.

Der erweiterte Einsatz von KI-Anwendungen im Recruiting muss jedoch unbedingt kontrovers betrachtet werden. Bei der Ressource Mensch handelt es sich schließlich um ein besonders kritisches Gut. Noch dazu sind menschliche Bindungen hier essenziell. Werden bereits in der Anfangsphase elementare Fehler begangen, lassen sie sich nur schwer wieder ausbügeln. Je nach Unternehmensgrösse kann die Einführung von Robot Recruiting zudem viel Zeit in Anspruch nehmen.

Das ifo Institut hat 2019 im Rahmen des Job-Futuromat, ein gemeinsames Projekt des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und der Bundesanstalt für Arbeit, herausgefunden, dass technisch gesehen rund 50 % der Tätigkeiten eines Personalreferenten von Maschinen oder Computern übernommen werden können. Doch die Hürden für die Einführung sind hoch und nicht selten mangelt es an Wissen über die Verwendung datengestützter Rekrutierungsmethoden.

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Kann Robot Recruiting die Personalbeschaffung revolutionieren?

Zweifelsohne können Roboter, intelligente Algorithmen und Lernmodelle dafür sorgen, dass der Recruiting Prozess neue Richtungen einschlagen kann. Ein massgeblicher Beitrag ist denkbar, wenn die Technologie vollständig ausgereift ist und ausreichend Daten vorliegen. Diese Datenbasis mag in vielen Unternehmen zwar im Sinne von Mitarbeiterdatenbanken vorhanden sind. Sie lässt sich jedoch in den meisten Fällen nicht für das Training der KI einsetzen.

Das liegt entweder an unterschiedlichen Datenquellen und Formaten innerhalb eines Unternehmens oder an mangelhafter Datenqualität. Auch ist fraglich, ob die vorhandenen Daten überhaupt ausreichen, um völlig neue Vorgehensweisen in die Prozesse zu integrieren oder diese gleich vollständig neu zu definieren.

Das Grundverständnis der Potenziale von Robot Recruiting ist ebenfalls weitestgehend noch nicht vorhanden. Von Vorbehalten der Benutzer gegenüber der Technologie ganz zu schweigen.

Realistisch betrachtet handelt es sich also bei Robot Recruiting nicht um eine Revolution, die morgen Lösungen für seit Jahren schwelende Personalnot liefert. Im besten Fall kommt es schneller zu einer erfolgreichen Einstellung oder leichteren Personalsuche im Vorfeld. In der Anfangsphase werden Unternehmen zunehmend auf externe Lösungen von Anbietern zurückgreifen müssen. Später kann es sein, dass es zu unternehmensinternen Entwicklungen von KI-Anwendungen kommt.

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Das Themenspecial „Digitalisierung und Zukunft der Arbeit“ der Monster Worldwide Deutschland GmbH befasst sich unter anderem mit dem Thema der Künstlichen Intelligenz im Kontext der digitalen Transformation für das Personalmanagement.

8 von 10 der Top-1.000-Unternehmen sehen die digitale Transformation des Personalwesens als überlebenswichtig für ihre Organisation an. Quelle

Bei den Kandidaten sieht fast die Hälfte grosse Chancen in einer möglichen zukünftigen Interaktion mit oder Nutzung von intelligenten Systemen wie Robot Recruiting, KI, Chatbots oder Sprachassistenten. Allerdings steht die Mehrheit ihrer Anwendung eher neutral gegenüber, was Unternehmen, die darüber nachdenken, Robot Recruiting einzuführen, nicht aussen vor lassen dürfen. Jenseits der Chancen gibt es auch ausreichend Ablehnung oder Neutralität gegenüber Bewerbungsprozessen mit digitalen, intelligenten Anwendungen.

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Genau dieser Anteil ist aber in der exakten Zielgruppe von Personalern und HR-Abteilungen zu finden, und zwar den potenziellen Bewerbern.

Wo kann Robot Recruiting Vorteile bringen?

Versteht man den Einsatz von Robot Recruiting als Unterstützung, kann die Nutzung intelligenter Technologien für Personalbeschaffung und -Management erhebliche Vorteile mit sich bringen. Algorithmen bringen Jobsuchende und Unternehmen schneller, effizienter und genauer zusammen, was die Chance auf die Schliessung von bestehenden Personallücken erheblich steigert.

Unbesetzte Stellen kosten Unternehmen jährlich viele Millionen Euro. Die Cost of Vacancy lässt sich laut adecco.ch wie folgt berechnen:

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Unbesetzte Stellen kosten viel Geld, stören den Betriebsfrieden und letztlich gefährden sie auch die Kundenzufriedenheit. Robot Recruiting kann beispielsweise in diesen Anwendungen zum Einsatz kommen, und so die Kosten für unbesetzte Stellen, aber auch den gesamten Rekrutierungsprozess minimieren.

  • Einsatz von Chatbots zur Beantwortung von Anfragen über Karriereseiten
  • Systematische Analyse der eingehenden Bewerbungen
  • Vorbereitung von Jobinterviews, Begleitung der Gespräch mit HR-Mitarbeitern
  • Analyse der Ergebnisse der Jobinterviews, wenn die Mitarbeiter diese Daten in die Anwendung pflegen
  • Auswahl der ersten Runde geeigneter Kandidaten im Bewerbungsprozess
  • Verbesserung der Candidate Experience an kritischen Punkten im Prozess
  • Chatbots und Tools für Analyse und Matching von Bewerbungen
  • Verfassen und Publizieren von Stellenanzeigen
  • Sourcing von CV-Datenbanken

Wo sollte Robot Recruiting (noch) nicht zum Einsatz kommen?

Von dem selbstständigen Führen der Bewerbungsgespräche raten Experten zu diesem Zeitpunkt aber noch ab. Hier fehlt es in Unternehmen an entsprechenden Kenntnissen, die Vorbehalte auf beiden Seiten sind zu gross und die Technologie ist noch nicht ausgereift. Auch das reine Nutzen von Fragenkatalogen, die Chatbots den Bewerbern vorstellen, ist keine gute Idee. Schnell kann das Gefühl von einem automatisierten Selektieren ohne persönlichen Kontakt zu Personalern, Vorgesetzten oder zukünftigen Kollegen entstehen.

Welche Bedenken gibt es hinsichtlich des Einsatzes von Robot Recruiting?

Neben einer Vereinfachung der Arbeit kann der Einsatz von Künstlicher Intelligenz auch zu Problemen beim Datenschutz führen. Deshalb sollten Unternehmen jeden Einsatz vorher gesondert betrachten und prüfen. Die geltenden Datenschutzbestimmungen sind unbedingt einzuhalten, wenn es um sensible Daten wie die von Bewerbern und Mitarbeitern geht. Die Datenqualität ist ebenfalls ein kritischer Punkt, der vor dem Einsatz beachtet werden muss.

Wenn Unternehmen Daten externer Quellen nutzen, aber auch bei der Verwendung von Inhouse-Datenbanken, ist die Qualität der verwendeten Daten für die Lernmodelle der KI von grossem Einfluss auf die folgenden Entscheidungen und Ergebnisse der Analysen. Sind bereits im Vorfeld externe Meinungen eingeflossen oder wurde die Datenmenge nicht ausreichend gross gewählt, können die Ergebnisse nicht dem entsprechen, was sich Anwender erhofften.

Fazit: Auch wenn KI viele Probleme lösen kann, beim Recruiting geht es vor allem um Menschen und damit auch um Aspekte, die keine Technologie ersetzen kann. Der Reifegrad, also die Qualität der Technologie, ist noch nicht durchgängig auf hohem Standard verfügbar.

Es gibt auch bisher nur wenige Anbieter auf dem Markt, die fertige Lösungen präsentieren. Eigene IT-Abteilungen, die eine Anwendung für das Robot Recruiting entwickeln könnten, finden sich nur in grossen Unternehmen.

Diese könnten zukünftig aber genau dadurch erhebliche Vorteile gegenüber kleinen und mittelständischen Betrieben haben, die sich diese Inhouse-Apps nicht leisten können. Vielleicht ist das ein entscheidender Vorsprung für grosse Unternehmen. KMUs sollten sich unbedingt an gute Recruiter wenden, wenn sie Hilfe bei der Personalbeschaffung benötigen und zunächst auf einfache KI-Anwendungen setzen.

 

Quelle Bilder: https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/uni/fakultaeten/wiai_lehrstuehle/isdl/Recruiting_Trends_2020/Studien_2020_04_Digitalisierung_Web.pdf